Valerie Otte und Christoffer Martens sind keine professionellen Upcycler, dennoch haben sich die Künstlerin, die kürzlich für den Berliner Art Prize nominiert war und der Designer, der u.a. mit Alfredo Häberli, Thonet und Nils Holger Moormann zusammen arbeitete, schon einmal mit der Thematik UPCYCLING beschäftigt. Um die sehr unterschiedlichen Motivationen, Herangehensweisen und Ergebnisse kennen zu lernen, besuchten wir die beiden im gemeinsamen Atelier in Berlin-Wedding….
Christoffer, erzählst Du uns von dem Projekt, in dessen Rahmen der Kleiderbügel entstanden ist?
C: Das war 2007 im Rahmen des Projekts Transalpino „Solutions with hooks“ – ein Projekt von Mailänder und Berliner Designern. Es sind sehr viele, sehr unterschiedliche Bügel entstanden. Meine Idee, aus der Rückenlehne eines Stuhles einen Kleiderbügel zu machen, ist eine sehr naheliegende. Wir nutzen die Stuhllehne schließlich ganz intuitiv zu dem Zweck, unsere Kleidung darüber zu legen. Der äußere Bogen des Thonet Klassikers ist dem Rücken nachempfunden, der innere stabilisiert. Ein traditioneller Kleiderbügel ist im Grunde genommen nichts anderes: Die Form entspricht Schultern, die durch eine Querstange verstärkt werden.
Warum fiel Deine Wahl auf diesen Stuhl und nicht auf irgendeinen anderen?
C: Die Form der Thonet-Rückenlehne birgt den Kleiderbügel ja geradezu in sich. Abgesehen davon bringt der Stuhl natürlich eine Wahnsinns-Geschichte mit. Der Thonet Nr.14 war der erste industriell gefertigte Stuhl und kam schon 1859 auf den Markt. Da man ihn zerlegen konnte, wurde er in die ganze Welt verschifft und konnte vor Ort zusammengebaut werden. Das war in der Zeit sensationell und zudem wirtschaftlich hoch effizient. Er wurde millionenfach hergestellt und man findet daher auch heute noch recht häufig alte Exemplare. Der Wert und die Besonderheit des Stuhls liegt in der Zeit, in der er entstanden ist, begründet. Bis heute ist der Kaffeehausstuhl der Übervater des Stuhldesigns und jeder Design-Student wird mit ihm konfrontiert.
Woher hattest Du den Stuhl?
C: Das war eigentlich ein Missgriff auf Ebay. Aber ich weiß gar nicht mehr, ob zuerst die Idee oder der alte von Holzwürmern zerfressene Stuhl da war. Auf jeden Fall hatten sich die Würmer im Holz schon so weit hoch gearbeitet, dass die Amputation von Beinen und Sitzfläche die einzige Möglichkeit war, das Objektl zu retten. Meine persönliche Gestaltung beschränkte sich letztlich auf diese beiden Schnitte – ich gebe zu, dass es mir ziemlich leicht gemacht wurde.
Valerie, lass uns über Deine Vasen-Kollektion „Symbiose“ sprechen. Wo ist die Schnittstelle zwischen Upcycling und diesen Kunstobjekten?
V: Die Basis der Objekte sind alte Metallgefäße aus Kupfer und Messing, die ich größtenteils auf dem Schrottplatz beim Mauerpark gefunden habe. Ich habe die Gefäße aufgeschnitten und in der Glasmanufaktur Harzkristall mit Glas durchblasen lassen, was ein äußerst komplizierter und aufwendiger Prozess war. Natürlich hatte ich sehr genaue Vorstellungen, welche Form die Objekte am Ende haben sollten, was das Ganze nicht einfacher machte. Wie beim klassischen Upcycling hat eine Aufwertung stattgefundne: entsorgte Alltagsgegenstände vom Schrottplatz sind zu Unikaten geworden.
Erklärst Du uns die „Symbiose“?
V: Der vorher zerteilte Metallkörper wird mit Hilfe des Glases wieder hergestellt. Das Metall-Fragment beeinflusst maßgeblich die Form, die das neue Objekt annimmt, weil es den Raum vorgibt den das Glas einnehmen kann. Das Glas ist das fixierende, stützende Element. Interessanter Weise schenkt der Betrachter nach der Materialverknüpfung nun den gestalterischen Details des Metall-Fragments viel größere Aufmerksamkeit als in seiner vorherigen Existenz als reines Metallgefäß.
Du hast Kunst, aber anschließend auch Design studiert. Was war die Motivation?
V: Die Motivation war, mehr Materialien und Herstellungsprozesse kennen zu lernen. Ich wollte mehr Handwerkszeug haben. Auch wenn man einige meiner Objekte als Gebrauchsgegenstände verwenden kann, sind sie als Kunst zu verstehen. Der Fokus liegt auf dem künstlerischen Wert, nicht auf dem Nutzen.
Beeinflusst Ihr Euch gegenseitig bei Eurer Arbeit?
V: Wir holen uns Rückmeldung und schätzen die Meinung des anderen, aber beeinflussen würde ich es nicht nennen. Unsere Gestaltungssprachen sind sehr unterschiedlich.
C: Und wir haben beide einen anderen Background. Valerie denkt ausschließlich dreidimensional, was ihren bildhauerischen Hintergrund zeigt. Ich denke oft in Silhouetten, was vielleicht damit zusammenhängt, dass ich über das Grafik-Design zum Produkt-Design gekommen bin.
Was bewundert Ihr am meisten am Schaffen des anderen?
C: Valerie ist unheimlich vielseitig und an den verschiedensten Bereichen interessiert und beschäftigt. Ihre Tatkraft kann einen mitziehen.
V: Christoffer hat eine sehr sorgfältige, wohl überlegte Arbeitsweise, in der jedes Detail eine wichtige Rolle spielt. Heraus kommen meist sehr reduzierte und in ihrer Schlichtheit überzeugende Objekte, das bewundere ich!