RAFAEL HORZON

10. Juni 2014 by in INTERVIEWS

HORZON’S WANDDEKORATIONSOBJEKTE heißt Rafael Horzons neuester Torstraßen-Streich. Ende der 90er Jahre begann die MOEBEL HORZON-Ära mit dem Regalsystem ‚Modern’, das „unschöne und unmoderne“ Regale, wie IKEAs Billy vom Markt verdrängen sollte und heute das Lieblingsregal der Berliner Kreativszene ist. Immer wieder sorgt Rafael Horzon für Berlin-Mitte-Gossip, ob mit Trennungsagenturen, einem Fachgeschäft für Apfelkuchenhandel oder einem Musikprojekt mit Sängerin Peaches. Wir stellten ihm anlässlich des Shop-Openings einige Fragen.

 

‚Horzon’s Spülen Sparadies’ musste nun ‚Horzon’s Wanddekorationsobjekten’ weichen. Was hat es mit den Wanddekorationsobjekten auf sich?

Ich habe ja schon vor 10 Jahren Dekorationsobjekte auf den Markt gebracht, die Firma heißt „Wandekor“ und vertreibt schwarze und weiße Quadrate. Leider verkaufen die sich sehr schlecht. In über 10 Jahren habe ich genau ein schwarzes Quadrat verkauft. Vier weiße Quadrate habe ich verschenkt, und vier hängen bei mir zuhause. Ich habe also das Konzept noch einmal überdacht und radikal geändert: „Horzons Wanddekorationsobjekte“ klingt erstens viel besser, irgendwie seriös, positiv und frisch, und ausserdem sind die Dekorationsobjekte diesmal sehr bunt. Jeder, der sie sieht, möchte sie sofort kaufen, weil sie so dekorativ sind!

 

 

Warum fassen es Künstler überwiegend als Beleidigung auf, wenn ihre Werke auch als ‚dekorativ’ deklariert werden?

Hm, keine Ahnung, vielleicht möchten Künstler, dass ihre Werke mehr sind als Dekoration. Dass sie Gedanken oder eine Theorie transportieren. Ich bin ja zum Glück kein Künstler, und ich bin sehr froh, dass meine Dekorationsobjekte einfach nur dekorativ sind!

 

 

Dein Regal ‚Modern’ ist so etwas wie ein regionaler Möbelklassiker und Dein erfolgreichstes Projekt. Hast Du eine Erklärung dafür?

Ja natürlich, das Regal ist so erfolgreich, weil wirklich jeder Mensch ein Regal braucht. Also entweder man hat noch kein Regal und muss es halt irgendwann bei mir kaufen, als Erstregal sozusagen. Oder man hat schon ein Regal, nämlich von IKEA, und schämt sich irgendwann so sehr dafür, dass man keine Freunde mehr zu sich nach Hause einladen mag. Und dann wirft man es eines Tages aus dem Fenster und ruft die Moebel-Horzon-Hotline an.

 

 

Du hast mal gesagt, Berlin habe ein ‚sehr hässliches Stadtbild’. Inwiefern sind hässliche Städte inspirierender als schöne Städte?

In einer schönen Stadt geht man umher, und freut sich, dass alles so schön ist, man setzt sich in ein Café, isst ein Stück Kuchen und geht irgendwann zufrieden schmatzend ins Bett. Es gibt ja keinen Grund tätig zu werden, wo doch alles so schön ist! Deshalb kommen aus so schönen Städten wie Paris oder Florenz seit neunzig beziehungsweise seit fünfhundert Jahren keine neuen Ideen mehr. In einer Stadt wie Berlin ist das natürlich ganz anders. Berlin ist ja wirklich mit Abstand die hässlichste Stadt der Welt, und man läuft die ganze Zeit ganz verzweifelt umher und denkt nach, weil man alles ändern möchte. Das macht natürlich ungeheuer produktiv! Und ich bin 1997 ganz bewusst in die katastrophalste aller Berliner Strassen gegangen, in die Torstrasse, weil hier der Druck am grössten war. Und jetzt gilt sie als die interessanteste Strasse der Welt, das habe ich gerade gestern in der New York Times gelesen!

 

Alle Deine Projekte sorgten für Aufsehen, aber nur einige lassen sich als finanzieller Erfolg verbuchen. An welchem Punkt merkst Du, dass es Zeit ist, von etwas abzulassen?

Nach genau zehn Jahren.

 

Interviews mit Dir findet man vorrangig in Kunstmagazinen und Feuilletons, obwohl Du immer wieder betonst, kein Künstler, sondern Unternehmer zu sein. Inwieweit ist das Interesse an Deinem Schaffen davon geprägt, Dich nicht als Künstler einordnen zu dürfen?

Oh, das weiss ich nicht, ich kann nur sagen: Mein allergrösster Traum wäre, endlich mal von der WirtschaftsWoche oder vom manager magazin interviewt zu werden. Und dann klingelt das Telefon, und es ist wieder nur der Feuilletonchef der FAZ…

 

Manche nennen Dich den „Marcel Duchamp der Lebensentwürfe“. Wie, oder inwiefern überhaupt, lässt sich das aus Deiner Sicht in das heutige Zeitalter übertragen: Readymades als Lebenswürfe?‘

Vor zwei Wochen war ich in Christian Boros Bunker, da gab es einen Festakt, hundertster Geburtstag des Readymades! Ich meine: Seit hundert Jahren werden Alltagsgegenstände zu Kunst erklärt. Oder Alltagstätigkeiten. Oder Lebensentwürfe. Alles muss Kunst sein. Warum? Der Überraschungseffekt ist nach hundert Jahren gleich null. Es ist viel interessanter, Wanddekorationsobjekte zu Wanddekorationsobjekten zu erklären, oder Edelstahlspülen zu Edelstahlspülen, oder Lüftungsanlagen zu Lüftungsanlagen. Mein Lebensentwurf lautet: Ich möchte interessante Dinge tun, die nicht Kunst sind.